27.04.12 "DER VERTRIEB WAR SOLON UND SOLARWORLD EGAL" China trumpft während der Hannover Messe groß auf: Stefan Riel, Mitgründer des Solarprojektierers Wirsol, lebt seit Kurzem mit seiner Familie in Peking. Er erzählt, wie ihn Q-Cells, Solarworld und Co. einst abblitzen ließen und wie er jetzt mit seinem Unternehmen in China Fuß fassen will. mm: Herr Riel, als Sie vor knapp zehn Jahren Wirsol mitgegründet haben, welche Bedeutung hatte da China für Sie? Riel: China hatten wir damals überhaupt nicht auf dem Schirm. Im Gegenteil, bis zum Jahr 2006 haben wir die deutsche Fahne hochgehalten und auf "Made in Germany" gesetzt. Das Problem war nur, wir wurden von den deutschen Herstellern gar nicht erst beliefert. Von Q-Cells nicht, von Solarworld nicht, von Solon nicht. Die haben gesagt, ihr macht Endkundengeschäft, das interessiert uns nicht. Stattdessen haben sie uns auf ihre 50 Prozent Ebit verwiesen. Es war ein Verkäufermarkt. Der Vertrieb war denen egal. So war es 2007 der chinesische Modulhersteller Yingli, der als Erster gesagt hat: Ihr macht Endkundengeschäft? Das finden wir gut. mm: 2007 galten die chinesischen Solarmodule gegenüber den deutschen Produkten aber noch als qualitativ minderwertig. Riel: So dachten viele. Ich habe dann gesagt, ich informiere mich vor Ort bei den Chinesen und bin dorthin geflogen. Ich war wirklich überrascht, weil ich in China auf einmal in der modernsten Fabrik stand, die ich bis dahin besucht hatte. Und ich habe viele gesehen. mm: Hatten Sie keine Angst, Geschäftsbeziehungen mit den Neulingen aus China einzugehen? Riel: Uns beschäftigten damals vor allem Fragen der vertraglichen Gewährleistungen. Aber letztlich hatten wir in dieser Hinsicht mit den westlichen Kooperationspartnern wie REC aus Norwegen und General Electric aus Nordamerika mehr Probleme als mit Yingli. mm: Und wie haben Sie Ihren Kunden die chinesischen Module schmackhaft gemacht? Riel: Die Kunden haben natürlich gesagt, sie wollen lieber Conergy, Solarworld, Solon und so weiter. Wir haben dann aber erklärt, dass das Silizium, das Yingli verwendet, vom deutschen Chemiekonzern Wacker kommt und die Anlagen, auf denen die Module gefertigt werden, von den deutschen Herstellern Centroterm und Manz. Mittlerweile ist es so, dass die meisten Kunden keine bestimmte Marke eines Modulherstellers mehr verlangen. Sie vertrauen eher auf den Systemanbieter. Wir sind als Wirsol inzwischen mehr Marke als der Produzent von Modulen. mm: Anders als die Mehrzahl der deutschen Modulhersteller, scheint Wirsol die Internationalisierung zu meistern. Sie selbst leben seit ein paar Wochen gemeinsam mit Ihrer Frau und ihren zwei Kindern in Peking, um die neu gegründete Wirsol-Tochter und das Asiengeschäft aufzubauen. Wie lebt es sich in Fernost? Riel: Wir sind sehr zufrieden hier. Allerdings bin ich im Odenwald groß geworden, im Grünen, wo die Welt noch in Ordnung ist. In Peking hingegen spürt man die Umweltproblematik sehr. Die Luftqualität ist oft so schlecht, dass die Kinder nicht draußen spielen dürfen. Das zeigt aber auch, welche Chancen sich hier auftun. Chinas Sonneneinstrahlung ermöglicht eine andere Kalkulation mm: Meinen es die Chinesen mit Ihrer eigenen Energiewende denn ernst? Riel: Das Land ist ziemlich grau. Die Sonne kommt nicht durch, weil viel gebaut wird und Staub in der Luft ist und die zahllosen Kohlekraftwerke ihr Übriges beitragen. Gleichzeitig hat China die größten Windkrafthersteller und die größten Solarkrafthersteller der Welt. Die Chinesen investieren schon heute mehr in die Energiewende als vielen in Deutschland bewusst ist. Darüber hinaus ist die Solarindustrie auch ein Jobmotor, weil China weltweit 60 bis 70 Prozent Marktanteil an der Modulproduktion hält. mm: Sie sind der erste Spitzenmanager der deutschen Solarbranche, der seinen Wohnsitz nach Peking verlegt hat. Wird eine solche Geste von den Chinesen erwartet? Riel: Nach China zu gehen, war eine strategische Entscheidung. Wenn Sie nicht vor Ort sind, bekommen Sie die Top-Level-Meetings mit den Entscheidern nicht hin. mm: Zusammen mit Suntech, dem größten Modulhersteller der Welt, plant Wirsol in der Qinghai-Provinz solare Großkraftwerke in einer Größenordnung von zwanzig Megawatt zu bauen. Was ist das für ein Auftrag? Riel: Die Qinghai-Provinz liegt im Westen Chinas über Tibet. Die Sonneneinstrahlung dort ist hoch. Das von Suntech projektierte Kraftwerk soll bis Ende des Jahres ans Netz gehen. Es ist eines von mehreren, die wir in China planen. Wir bringen vor allem unser Engineering-Know-how ein. mm: Im chinesischen Fotovoltaikmarkt wird derzeit eine staatlich garantierte Einspeisevergütung von 12 Cent pro Kilowattstunde gezahlt, also weniger als in Deutschland. Lässt sich mit einer solchen Einspeisevergütung Geld verdienen? Riel: Die Einspeisevergütung ist vergleichbar mit Deutschland. Der Vorteil ist allerdings, dass es in Regionen wie Qinghai 50 Prozent mehr Sonneneinstrahlung gibt als in Deutschland. Dies lässt eine andere Kalkulation zu. mm: Welche weiteren Aufträge erhoffen Sie sich? Riel: Wir hoffen auf eine Größe von jährlich 50 Megawatt in den kommenden drei bis fünf Jahren. Sollten wir Großaufträge von über 100 Megawatt und mehr bekommen, dann könnten wir auch diese stemmen, da wir in solchen Fällen mit Subunternehmern zusammenarbeiten. Ein internationales Projektgeschäft hochzuziehen ist kostspielig mm: Wieviele Mitarbeiter werden Sie mittelfristig in China beschäftigten? Riel: Noch sind wir zu acht. In den kommenden drei Jahren könnte es so Richtung fünfzig und mehr gehen. Wir sind Projektierer und bilden entsprechend das Personal in China aus. Das dauert erst einmal. mm: Wann wird der chinesische Fotovoltaikmarkt den deutschen überholen? Riel: 2013 wird der chinesische den deutschen Markt überholen. In Deutschland wird künftig das Wartungs- und Instandhaltungsgeschäft immer wichtiger. mm: Was unterscheidet den chinesischen vom deutschen Fotovoltaikmarkt? Riel: Das Marktvolumen ist ein wesentlicher Unterschied. Allein für China wird bis 2020 mit einem Zubau von 50 bis 80 Gigawatt gerechnet. Rechnet man die anderen asiatischen Länder dazu, sind es 150 bis 180 Gigawatt. Ein weiterer Unterschied ist, dass China zwar im Upstream, also bei Wafern, Zellen und Modulen, zur Weltklasse zählt. Im Bereich Downstream, also zum Beispiel Wechselrichter, Unterkonstruktionen und Engineering, haben die Europäer hingegen einen jahrelangen Vorsprung. mm: Die Produktion von Zellen und Modulen wirft kaum Marge ab - anders als die Entwicklung, Projektierung und Betriebsführung von Solarparks. Was schützt Sie davor, dass die Chinesen sich Ihr Wissen abschauen und in einem Jahr sagen: danke, aber jetzt machen wir es selbst. Riel: Warum haben die Chinesen nicht die Anlagen, mit denen sie Zellen und Module fertigen, kopiert oder billig nachgebaut? Der Grund ist einfach. Jeder muss das machen, was er am besten kann. Auf unser Geschäftsmodell übertragen bedeutet dies, ich kann als Deutscher in China nicht ohne chinesische Kooperationspartner auskommen. Und die Chinesen können in Deutschland nicht viel ohne uns machen. Denn ihr Kerngeschäft ist die Produktion von Solarmodulen. Hersteller wie Trina oder Suntech haben zwar schon eigene Entwicklungsteams für Solarparks. Aber neben dem Kerngeschäft, der Produktion, ein internationales Projektgeschäft hochzuziehen, kostet Geld und das haben die Hersteller derzeit nicht. mm: Welche Rolle wird China künftig im Länderportfolio von Wirsol spielen? Riel: Amerika, Europa und Asien werden sich künftig die Waage halten. Wir müssen diese Balance von je einem Drittel entsprechend hinbekommen. Dazu kommen noch die etwas kleineren Märkte in Südamerika, Südafrika und Nahost. mm: Welchen anderen deutschen Unternehmen aus der Fotovoltaik trauen Sie zu, im chinesischen Markt Fuß zu fassen? Riel: Chancen sehe ich nur für die Downstream-Anbieter. Quelle: manager magazin online
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Samstag, 28. April 2012
PRESSESCHAU: Deutsch Solar-Manager in China
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