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Freitag, 2. November 2012

Viele heisse Luft

Strafbare Werbung für Infrarotheizungen ?


Viel heisse Luft

Neue Infrarotheizungen werden als ökologische Alternative angepriesen. Dabei sind die Geräte extreme Stromfresser und dürfen bald nur noch als Notheizung eingebaut werden.
Infrarotheizungen: Viel heisse Luft
Sie sollen günstig und erst noch äusserst umweltfreundlich sein: die neuen Infrarotheizungen (IR-Heizungen), die man wie Bilder oder Spiegel an die Wand hängen kann. Ganze Wohnungen und Häuser könne man mit diesen Elementen beheizen, und zwar «umweltgerecht und sehr energiesparend», versprechen die Anbieter. Einige Firmen bezeichnen die IR-Heizungen gar als gesund, da sie bei vielen Krankheiten und Heilungsprozessen helfen sollen. Das zeitigt Wirkung: Die IR-Heizungen boomen, Tausende Wohnungen und Häuser werden laut Angaben der Hersteller schon auf diese Weise beheizt.

«Die Infrarotheizungen sind bei weitem nicht so umweltfreundlich, wie sie angepriesen werden.»

Jürg Nipkow, Agentur für Energieeffizienz
Jürg Nipkow kann über die Versprechen der Anbieter nur den Kopf schütteln. «Diese IR-Heizungen sind ausgesprochene Stromfresser», sagt der Energiefachmann der Schweizerischen Agentur für Energie­effizienz. «Sie sind bei weitem nicht so umweltfreundlich, wie sie angepriesen werden.» Er kenne keinen Energieexperten, der solche Heizungen empfiehlt.
Tatsächlich zeigt die Nachfrage bei mehreren Kantonen, dass kaum ein Energieberater die IR-Heizungen propagiert. Andrea Paoli, Präsident der Energiefachstellenkonferenz der Ostschweizer Kantone, sagt: «Die IR-Heizungen verbrauchen fast gleich viel Strom wie eine normale Elektroheizung. Dass sie ökologisch sinnvoll sein sollen, ist daher schlicht falsch.» Und Christoph Gmür, Leiter der Sektion Energietechnik beim Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft des Kantons Zürich, schreibt: «Die Energieeffizienz dieser Heizungen entspricht nicht dem, was die Hersteller angeben, daher empfehlen wir andere Heizsysteme.»
Besonders pikant aber ist, dass die Hersteller ihre Infrarot­anlagen nicht nur als Zusatzheizung, sondern immer häufiger zur «ökologisch sinnvollen» Beheizung ganzer Häuser und Wohnungen anpreisen – obwohl genau ­diese Systeme ab Ende 2011 praktisch schweizweit bloss noch als Not­heizungen ­erlaubt sein werden, weil sie als unökologisch ­gelten.

Elektrisch Heizen ist passé

Die meisten Kantone passen derzeit ihre Energiegesetze den sogenannten Musterenergievorschriften an. Und in diesen ist festgehalten, dass die Neuinstallation und der Ersatz von Elektroheizungen zur Gebäudebeheizung nicht mehr zulässig sind. Auch Infrarotheizungen sind von diesem Verbot betroffen und können daher zukünftig nur noch als Notheizungen installiert werden, zum Beispiel in Skilifthäuschen oder Bastelräumen.
«Dass unsere Produkte verboten werden sollen, ist absolut unverständlich», verteidigt sich Roger Heller, Geschäftsführer der Infraswiss AG, stellvertretend für die Branche. Die Firma beschäftigt 15 Personen und macht mit ihren IR-Heizungen einen Jahresumsatz von rund sechs Millionen Franken. «Wir haben Tausende Kunden, die mit unseren Produkten zufrieden sind», sagt Heller. Zahlreiche eigene Vergleichsstudien würden beweisen, dass die In­frarotpanels umweltfreundlich seien. «Durchschnittlich verbraucht unsere IR-Heizung nur rund einen Drittel des Energieverbrauchs einer alten Ölheizung und zirka 40 Prozent einer normalen Elektroheizung.» Damit liege der Stromverbrauch nur wenig höher als bei einer Erdsonden-Wärmepumpe.

Ab wann leidet die Behaglichkeit?

Auch andere Anbieter beharren darauf, die Energieberater und Fachleute bei den Kantonen seien falsch informiert. Die meisten geben an, ihre Produkte würden gegen­über einer normalen Elektroheizung 40 oder gar 50 Prozent einsparen. Gelingen soll das unter anderem dank der schnellen Reaktionszeit der Heizelemente. Zudem könne mit den IR-Panels die Lufttemperatur zwei Grad tiefer als üblich gehalten werden, ohne dass die Behaglichkeit verlorengehe.
«Natürlich kann man Strom sparen, wenn man die Lufttemperatur stark absenkt», entgegnet Jürg Nipkow. Bei mehr als zwei Grad Unterschied könne man aber nicht mehr von einem vergleichbaren Komfort sprechen. Gleicher Meinung ist Olivier Meile, Gebäudeexperte beim Bundesamt für Energie (BFE): «Unter solchen Umständen darf man den Energieverbrauch nicht mit anderen Heizsystemen vergleichen.»
Das Prinzip der IR-Heizungen: Die Strahlung erwärmt nur die Möbel und die Wände, nicht aber die Luft. Diese wärmt sich nur indirekt auf, weshalb sie mindestens zwei Grad kühler bleibt als die Wände. Das hat laut den Energiefachleuten den Nachteil, dass der Wärmeverlust durch die Aussenwände markant steigt.

«Meistens vergleichen die Anbieter ihre Produkte mit sehr alten, ineffizienten Öl- oder Gasheizungen.»

Andrea Paoli, Energiekonferenz Ostschweiz
Auf Kritik stossen bei den Energie­experten vor allem aber auch die Studien der Hersteller. «Meistens vergleichen die Anbieter ihre Produkte mit sehr alten, ­ineffizienten Öl- oder Gasheizungen», sagt Andrea Paoli. «Wenn man sie mit modernen Wärmepumpen vergleichen würde, käme man auf viel schlechtere Werte.»
Schliesslich werben einige wenige Anbieter sogar mit offensichtlichen Falschinformationen. So gibt die Cagon GmbH, Herstellerfirma der Carbowell-Heizungen, an, die Wärmeleistung ihrer IR-Elemente sei 1,6-mal höher als die aufgenommene Stromleistung. «Das ist Humbug und wissenschaftlich unmöglich», sagt Olivier Meile vom BFE. Berthold Lauper von der Cagon GmbH rechtfertigt sich: «Wir haben das aus einer Studie übernommen.»
Unabhängige und wissenschaftlich fundierte Studien zu den Infrarotheizungen existieren indes nur wenige. Von den Anbietern besonders gerne zitiert wird eine Forschungsarbeit der Technischen Universität Kaiserslautern. Diese ist allerdings unter den Fachleuten höchst umstritten.

Neue Studie fällt ernüchternd aus

Endgültige Klarheit soll eine Studie der Hochschule Luzern bringen, die von den Ostschweizer Kantonen in Auftrag gegeben wurde. Sie wird in einigen Wochen erscheinen (siehe dazu unten: «Aktualisiert»). Andrea Paoli kennt die Resultate bereits: «Die Studie zeigt, dass die Angaben vieler Hersteller nicht stimmen und dass die IR-Panels um Faktoren ineffizienter sind als Wärmepumpen und deshalb praktisch gleich viel Strom verbrauchen wie eine normale Elektroheizung.»
Stellt sich schliesslich noch die Frage, warum es als unökologisch gilt, mit Strom zu heizen. Roger Heller von der Infraswiss AG verteidigt die Elektrizität: «Wärmepumpen und Elektroautos gelten auch als ökologisch, obwohl sie mit Strom betrieben werden.» Zudem sei der Schweizer Strommix annähernd klimaneutral.
Anders sehen es die Kritiker. Sie gehen davon aus, dass der in der Schweiz konsumierte Strom als Teil des europäischen Strommix betrachtet werden muss. Vor allem im Winter – also genau dann, wenn die Heizungen auf Hochtouren laufen – sieht daher die Ökobilanz des Stroms ausgesprochen schlecht aus: Man rechnet, dass zur Herstellung von einer Kilowattstunde Strom rund 2,2 Kilowattstunden fossile Energie benötigt werden. Der Energieverbrauch der IR-Heizungen ist also in Wirklichkeit mindestens doppelt so hoch wie der angegebene Stromverbrauch. Für Olivier Meile vom BFE ist daher klar: «Strom ist viel zu wertvoll, um verheizt zu werden.»

Aktualisiert: Studie «Vergleich Energieeffizienz: Infrarot-Heizung vs. Wärmepumpen-Heizung»

Die im Artikel erwähnte Studie der Hochschule Luzern ist inzwischen veröffentlicht worden. Die Forscher verglichen die IR-Heizung mit einer Wärmepumpen-Heizung in Bezug auf die Energieeffizienz. Der Untersuchung wurde ein real existierendes Zweifamilienhaus in Kreuzlingen TG zu Grunde gelegt. Im Vergleich der Heizsysteme wurden für die Wärmepumpe sogar gezielt suboptimale Bedingungen gewählt: Die Jahresarbeitszahl (JAZ) betrug lediglich 2,3.
Die Studie kommt zu den folgenden Schlüssen:
  • IR-Strahlungsheizungen weisen gegenüber der Wärmepumpen-Lösung mit normalen Heizkörpern einen eklatant höheren Energiebedarf auf, und zwar um rund zwei Drittel.
  • Wird die Wärmepumpe mit einer Fussbodenheizung kombiniert, so ist der Energieverbrauch der IR-Strahlungsheizungen immer noch doppelt so gross.
  • Die Infrarotheizung ist im Fall des untersuchten Einfamilien-Hausteils (200 m2) die teuerste Lösung: Sie verursacht Jahreskosten von 6714 Franken. Eine Ölheizung würde pro Jahr 5988 Franken kosten, eine Heizung mit Wärmepumpe je nach System 4603 bis 4768 Franken.
  • Minimale Komfortbedingungen können mit IR-Heizungen als auch mit Heizkörpern oder Fussbodenheizungen erreicht werden.

Die Studie «Vergleich Energieeffizienz: Infrarot-Heizung vs. Wärmepumpen-Heizung» finden Sie hier (PDF)
Einen erläuternden Bericht finden Sie unter www.endk.ch (PDF)

Warme Strahlung: So funktioniert eine IR-Heizung

Infrarotheizungen wandeln im Gegensatz zu anderen Elektroheizungen die meiste Energie in Infrarotstrahlung um. Das ist unsichtbare Wärmestrahlung, wie sie auch von der Sonne oder einem Feuer abgegeben wird. Die Produktion echter Infrarotheizungen mit einem Strahlungsanteil von deutlich über 50 Prozent ist relativ schwierig. Daher sind auch Produkte auf dem Markt, die als IR-Heizungen verkauft werden, in Wahr­heit aber normale Elektroheizungen sind.
Die wichtigsten Schweizer Marken sind Infraswiss, Redwell und Carbowell. Die IR-Heizpanels sind günstiger als etwa eine Wärmepumpe. Hinzu kommen aber meist Installationskosten, da die Stromanschlüsse des Hauses auf eine höhere Leistung aufgerüstet werden müssen. Ins Geld gehen können auch die jährlichen Stromkosten. Sie hängen vom Produkt ab, aber auch davon, wie gut ein Haus isoliert ist und ob die Heizelemente an den richtigen Orten montiert wurden.



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