Strafbare Werbung für Infrarotheizungen ?
Viel heisse Luft
Neue
Infrarotheizungen werden als ökologische Alternative angepriesen. Dabei
sind die Geräte extreme Stromfresser und dürfen bald nur noch als
Notheizung eingebaut werden.
Sie
sollen günstig und erst noch äusserst umweltfreundlich sein: die neuen
Infrarotheizungen (IR-Heizungen), die man wie Bilder oder Spiegel an die
Wand hängen kann. Ganze Wohnungen und Häuser könne man mit diesen
Elementen beheizen, und zwar «umweltgerecht und sehr energiesparend»,
versprechen die Anbieter. Einige Firmen bezeichnen die IR-Heizungen gar
als gesund, da sie bei vielen Krankheiten und Heilungsprozessen helfen
sollen. Das zeitigt Wirkung: Die IR-Heizungen boomen, Tausende Wohnungen
und Häuser werden laut Angaben der Hersteller schon auf diese Weise
beheizt.
Jürg Nipkow, Agentur für Energieeffizienz
Jürg
Nipkow kann über die Versprechen der Anbieter nur den Kopf schütteln.
«Diese IR-Heizungen sind ausgesprochene Stromfresser», sagt der
Energiefachmann der Schweizerischen Agentur für Energieeffizienz. «Sie
sind bei weitem nicht so umweltfreundlich, wie sie angepriesen werden.»
Er kenne keinen Energieexperten, der solche Heizungen empfiehlt.
Tatsächlich zeigt die Nachfrage bei mehreren Kantonen, dass kaum ein
Energieberater die IR-Heizungen propagiert. Andrea Paoli, Präsident der
Energiefachstellenkonferenz der Ostschweizer Kantone, sagt: «Die
IR-Heizungen verbrauchen fast gleich viel Strom wie eine normale
Elektroheizung. Dass sie ökologisch sinnvoll sein sollen, ist daher
schlicht falsch.» Und Christoph Gmür, Leiter der Sektion Energietechnik
beim Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft des Kantons Zürich,
schreibt: «Die Energieeffizienz dieser Heizungen entspricht nicht dem,
was die Hersteller angeben, daher empfehlen wir andere Heizsysteme.»
Besonders pikant aber ist, dass die Hersteller ihre Infrarotanlagen
nicht nur als Zusatzheizung, sondern immer häufiger zur «ökologisch
sinnvollen» Beheizung ganzer Häuser und Wohnungen anpreisen – obwohl
genau diese Systeme ab Ende 2011 praktisch schweizweit bloss noch als
Notheizungen erlaubt sein werden, weil sie als unökologisch gelten.
Die
meisten Kantone passen derzeit ihre Energiegesetze den sogenannten
Musterenergievorschriften an. Und in diesen ist festgehalten, dass die
Neuinstallation und der Ersatz von Elektroheizungen zur Gebäudebeheizung
nicht mehr zulässig sind. Auch Infrarotheizungen sind von diesem Verbot
betroffen und können daher zukünftig nur noch als Notheizungen
installiert werden, zum Beispiel in Skilifthäuschen oder Bastelräumen.
«Dass unsere Produkte verboten werden sollen, ist absolut
unverständlich», verteidigt sich Roger Heller, Geschäftsführer der
Infraswiss AG, stellvertretend für die Branche. Die Firma beschäftigt 15
Personen und macht mit ihren IR-Heizungen einen Jahresumsatz von rund
sechs Millionen Franken. «Wir haben Tausende Kunden, die mit unseren
Produkten zufrieden sind», sagt Heller. Zahlreiche eigene
Vergleichsstudien würden beweisen, dass die Infrarotpanels
umweltfreundlich seien. «Durchschnittlich verbraucht unsere IR-Heizung
nur rund einen Drittel des Energieverbrauchs einer alten Ölheizung und
zirka 40 Prozent einer normalen Elektroheizung.» Damit liege der
Stromverbrauch nur wenig höher als bei einer Erdsonden-Wärmepumpe.
Auch
andere Anbieter beharren darauf, die Energieberater und Fachleute bei
den Kantonen seien falsch informiert. Die meisten geben an, ihre
Produkte würden gegenüber einer normalen Elektroheizung 40 oder gar 50
Prozent einsparen. Gelingen soll das unter anderem dank der schnellen
Reaktionszeit der Heizelemente. Zudem könne mit den IR-Panels die
Lufttemperatur zwei Grad tiefer als üblich gehalten werden, ohne dass
die Behaglichkeit verlorengehe.
«Natürlich kann man Strom sparen, wenn man die Lufttemperatur stark
absenkt», entgegnet Jürg Nipkow. Bei mehr als zwei Grad Unterschied
könne man aber nicht mehr von einem vergleichbaren Komfort sprechen.
Gleicher Meinung ist Olivier Meile, Gebäudeexperte beim Bundesamt für
Energie (BFE): «Unter solchen Umständen darf man den Energieverbrauch
nicht mit anderen Heizsystemen vergleichen.»
Das Prinzip der IR-Heizungen: Die Strahlung erwärmt nur die Möbel und
die Wände, nicht aber die Luft. Diese wärmt sich nur indirekt auf,
weshalb sie mindestens zwei Grad kühler bleibt als die Wände. Das hat
laut den Energiefachleuten den Nachteil, dass der Wärmeverlust durch die
Aussenwände markant steigt.
Andrea Paoli, Energiekonferenz Ostschweiz
Auf
Kritik stossen bei den Energieexperten vor allem aber auch die Studien
der Hersteller. «Meistens vergleichen die Anbieter ihre Produkte mit
sehr alten, ineffizienten Öl- oder Gasheizungen», sagt Andrea Paoli.
«Wenn man sie mit modernen Wärmepumpen vergleichen würde, käme man auf
viel schlechtere Werte.»
Schliesslich werben einige wenige Anbieter sogar mit offensichtlichen
Falschinformationen. So gibt die Cagon GmbH, Herstellerfirma der
Carbowell-Heizungen, an, die Wärmeleistung ihrer IR-Elemente sei 1,6-mal
höher als die aufgenommene Stromleistung. «Das ist Humbug und
wissenschaftlich unmöglich», sagt Olivier Meile vom BFE. Berthold Lauper
von der Cagon GmbH rechtfertigt sich: «Wir haben das aus einer Studie
übernommen.»
Unabhängige und wissenschaftlich fundierte Studien zu den
Infrarotheizungen existieren indes nur wenige. Von den Anbietern
besonders gerne zitiert wird eine Forschungsarbeit der Technischen
Universität Kaiserslautern. Diese ist allerdings unter den Fachleuten
höchst umstritten.
Endgültige
Klarheit soll eine Studie der Hochschule Luzern bringen, die von den
Ostschweizer Kantonen in Auftrag gegeben wurde. Sie wird in einigen
Wochen erscheinen (siehe dazu unten: «
Aktualisiert»).
Andrea Paoli kennt die Resultate bereits: «Die Studie zeigt, dass die
Angaben vieler Hersteller nicht stimmen und dass die IR-Panels um
Faktoren ineffizienter sind als Wärmepumpen und deshalb praktisch gleich
viel Strom verbrauchen wie eine normale Elektroheizung.»
Stellt sich schliesslich noch die Frage, warum es als unökologisch
gilt, mit Strom zu heizen. Roger Heller von der Infraswiss AG verteidigt
die Elektrizität: «Wärmepumpen und Elektroautos gelten auch als
ökologisch, obwohl sie mit Strom betrieben werden.» Zudem sei der
Schweizer Strommix annähernd klimaneutral.
Anders sehen es die Kritiker. Sie gehen davon aus, dass der in der
Schweiz konsumierte Strom als Teil des europäischen Strommix betrachtet
werden muss. Vor allem im Winter – also genau dann, wenn die Heizungen
auf Hochtouren laufen – sieht daher die Ökobilanz des Stroms
ausgesprochen schlecht aus: Man rechnet, dass zur Herstellung von einer
Kilowattstunde Strom rund 2,2 Kilowattstunden fossile Energie benötigt
werden. Der Energieverbrauch der IR-Heizungen ist also in
Wirklichkeit mindestens doppelt so hoch wie der angegebene
Stromverbrauch. Für Olivier Meile vom BFE ist daher klar: «Strom ist
viel zu wertvoll, um verheizt zu werden.»
Die
im Artikel erwähnte Studie der Hochschule Luzern ist inzwischen
veröffentlicht worden. Die Forscher verglichen die IR-Heizung mit einer
Wärmepumpen-Heizung in Bezug auf die Energieeffizienz. Der Untersuchung
wurde ein real existierendes Zweifamilienhaus in Kreuzlingen TG zu
Grunde gelegt. Im Vergleich der Heizsysteme wurden für die Wärmepumpe
sogar gezielt suboptimale Bedingungen gewählt: Die Jahresarbeitszahl
(JAZ) betrug lediglich 2,3.
Die Studie kommt zu den folgenden Schlüssen:
- IR-Strahlungsheizungen
weisen gegenüber der Wärmepumpen-Lösung mit normalen Heizkörpern einen
eklatant höheren Energiebedarf auf, und zwar um rund zwei Drittel.
- Wird
die Wärmepumpe mit einer Fussbodenheizung kombiniert, so ist der
Energieverbrauch der IR-Strahlungsheizungen immer noch doppelt so gross.
- Die
Infrarotheizung ist im Fall des untersuchten Einfamilien-Hausteils (200
m2) die teuerste Lösung: Sie verursacht Jahreskosten von 6714 Franken.
Eine Ölheizung würde pro Jahr 5988 Franken kosten, eine Heizung mit
Wärmepumpe je nach System 4603 bis 4768 Franken.
- Minimale Komfortbedingungen können mit IR-Heizungen als auch mit Heizkörpern oder Fussbodenheizungen erreicht werden.
Die Studie «Vergleich Energieeffizienz: Infrarot-Heizung vs. Wärmepumpen-Heizung» finden Sie
hier (PDF)
Einen erläuternden Bericht finden Sie unter
www.endk.ch (PDF)
Infrarotheizungen
wandeln im Gegensatz zu anderen Elektroheizungen die meiste Energie in
Infrarotstrahlung um. Das ist unsichtbare Wärmestrahlung, wie sie auch
von der Sonne oder einem Feuer abgegeben wird. Die Produktion echter
Infrarotheizungen mit einem Strahlungsanteil von deutlich über 50
Prozent ist relativ schwierig. Daher sind auch Produkte auf dem Markt,
die als IR-Heizungen verkauft werden, in Wahrheit aber normale
Elektroheizungen sind.
Die wichtigsten Schweizer Marken sind Infraswiss, Redwell und
Carbowell. Die IR-Heizpanels sind günstiger als etwa eine Wärmepumpe.
Hinzu kommen aber meist Installationskosten, da die Stromanschlüsse des
Hauses auf eine höhere Leistung aufgerüstet werden müssen. Ins Geld
gehen können auch die jährlichen Stromkosten. Sie hängen vom Produkt ab,
aber auch davon, wie gut ein Haus isoliert ist und ob die Heizelemente
an den richtigen Orten montiert wurden.
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